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Die biblischen Texte sind ja vor allem eins, klar, Texte. Und das oft in einer alten Sprache, die wir heute kaum noch verstehen. Und genau deshalb braucht es Übersetzungsarbeit, sagt der Karikaturist Gerhard Mester aus Wiesbaden. Über 100 Karikaturen hat er angefertigt und damit das Matthäus-Evangelium neu interpretiert und übersetzt. Wer Ohren hat, der höre, heißt das neue Buch von ihm. Die Bibel, ganz besonders die Evangelien, sind auch politisch. Davon ist Mester überzeugt und das ist auch ein Grund, sagt er, warum er wieder in die katholische Kirche eingetreten ist, hat er uns in unserem Podcast erzählt. Hallo, ich bin Sven Herget. Sie machen ja Karikaturen zu allem möglichen, also politische Geschehnisse, Kultur, Gesellschaftliches, aber auch Kirche. Was ist einfacher, was ist schwieriger? Oder gibt es das gar nicht? Es ist ja keine freie Entscheidung. Also man arbeitet für das Medium oder für die Zeitung, die einen abdruckt. Und dann gab es Abdrucke in Kirchenzeitungen, dann bin ich dabei geblieben. Wenn Sie arbeiten, wie muss ich mir das denn vorstellen? Dann ganz klassisch mit Papier und Stift? Oder es gibt ja inzwischen Leute, die malen mit iPad und Co. oder? Ich arbeite, ich korrigiere ein bisschen am Computer. Das ist ein Riesenvorteil. Früher musste man deckweiß, ganz sauber arbeiten, jeder kleine Fehler, Scheiße, ich kann die wegschmeißen, die Zeichnung. Oder man hat versucht, das wieder hinzukriegen. Das geht jetzt wunderbar am Computer. Natürlich toll. Wie kamen Sie dazu zu sagen, eigentlich habe ich Lust, mal so ein Evangelium mit Karikaturen zu versehen? Also ich meine, das ist ja nicht nur eine oder so, sondern das sind ja ganz, ganz viele Karikaturen, die hier in dem Buch drin sind. Wie kamen Sie darauf, zu sagen, das Evangelium reizt mich? Also ich mache seit gut 40 Jahren Tagespolitik, überwiegend Tagespolitik. Ich habe schon was Neues gesucht, das ich mit meiner Erfahrung und mit meinen vielen Zeichnungen nicht nur weiter zeichne, sondern damit auch in Schulen gehe zum Beispiel. Also Demokratie ist für mich ein großes Thema und die Idee war, in Schulen zu gehen, vor Klassen oder Leistungskursen, meine Zeichnungen zu zeichnen und zu diskutieren mit den Schülern. Habe ich ein paar Mal gemacht, wunderbar. Also die politischen oder auch die gesichtlichen? Ja, vor allen Dingen politische und Toleranzthemen und diese Dinge. Und dann hatte ich die schlaue Idee, weil ich mit der Landeszentrale für politische Bildung in Stuttgart viel zusammengearbeitet habe, dass ich vielleicht wie so eine Lesereise. Und ich habe mich mit dem stellvertretenden Direktor getroffen und habe ihm meine Idee vorgestellt. Ich dachte, die könnten das organisieren. Der war überhaupt nicht begeistert, hat kein Interesse gehabt. Der sagte aber dann, nächstes Jahr haben wir 75 Jahre Grundgesetz. Ah, okay. Das wäre doch mal was, dann machen wir ein Sonderheft zu diesem Thema. Und es ging gut. Und das Heft hatte auch einen ziemlichen Erfolg. Und dann habe ich gesagt, prima, also wenn ich schon das Grundgesetz illustrieren kann, dann greife ich ganz hoch ins Regal. Und dann mache ich die Bibel oder das Evangelium. Das ist aber auch eine spannende Genese, dass Sie sagten, wenn das Grundgesetz geht, dann geht auch die Bibel. Wie kam es, dass Sie sagten, wenn Bibel dann, also da gibt es ja wahnsinnig viel. Das ist ja ein Buch der Bücher. Lukas gibt es, Markus gibt es, Johannes. Sie haben sich für das Matthäusevangelium entschieden. Wieso für das? Erstmal, das Alte Testament scheidet aus, weil ich das, da habe ich keine Ahnung davon. Matthäus deshalb, weil es erstens ganz am Anfang steht. Das Neue Testament. Und zum Zweiten, weil dort die Bergpredigt steht. Die war für mich schon wichtig. Ich glaube, Kriegsdienst verweigert und das christlich begründet damals mit der Bergpredigt. Und das fand ich dann ganz interessant. Und weil auch diese sozialen Aspekte da eine große Rolle spielen, die mich immer interessiert haben. Haben Sie sich dann neu nochmal mit dem Matthäusevangelium befasst? Oder wie sind Sie da rangegangen? Haben Sie gesagt, ich lese das jetzt nochmal einmal komplett? Oder wie geht man an sowas ran? Also ich wüsste nicht, wie ich dann die Lehre sage. Ich habe mir dann gesagt, ich gehe jetzt mal auf die Seite und fülle. Ja, ich zunächst auch nicht. Also ganz naiv. Ich habe einfach vorne angefangen. Ich habe mir vorgenommen, ich werde das nicht illustrieren. Es ist eher eine Übersetzung in Karikaturen. Und dann kommt dieses erste Kapitel mit dieser langen Auflistung der Namen. Und das ist ja ein Nicht-Thema eigentlich. Aber es gibt immer einen Zugang. Ich habe dann die Texte auf mich wirken lassen. Was macht das mit dir? Und ich denke, sowas langweiliges, bürokratisches. Da war das automatisch. Ja. Und dann wurde das zum Thema Bürokratie, dieses erste Kapitel. Auf diese Weise findet man immer auch einen Zugang. Auch zu Texten, die einem zunächst vollkommen quer und schwierig und spröde, langweilig erscheinen. Das habe ich mir zur Aufgabe gemacht. Ich wollte das einfach mal durchackern. Welches Kapitel war besonders schwierig? Und welches war vielleicht auch besonders leicht, wo Sie sagten, ach, da ist ganz klar, was das hier braucht an Bild. Naja, die Bergpredigt war relativ einfach. Weil soziale Themen schon immer mein Beritt waren. Und da finden Sie immer Analogien, die man ins Bild setzen kann. Aber es gibt auch so, ich weiß gar nicht, welches Kapitel, das ist irgendwie 20 ungefähr, diese Größenordnung, wo Jesus ganz schrecklich schimpft, ein ganzes Kapitel lang über die Pharisäer. Er schimpft nur, was das für schreckliche Leute sind, Schlangenbrut und Heuchler und so weiter und so fort. Das war schwierig, weil ich zuerst dachte, ich muss unbedingt die Pharisäer zeichnen, wie sie verlogen sind. Und macht geil und was man sich so denkt beim Begriff Pharisäer. Und dann macht so Klick im Kopf dieser Jesus, der schimpft und rotzt über diese Pharisäer und hört gar nicht auf. Er steigert sich immer weiter. Und dann habe ich dreimal die gleiche Zeichnung. Einmal wie er schimpft und die Jünger im Hintergrund, oh toll, der gibt es ihnen, der zeigt es ihnen. Und im zweiten Bild, er schimpft weiter und steigert sich noch. Und dann sagen sie, oh, oh, oh, jetzt muss er aber aufpassen. Und im dritten Bild. Im dritten Bild merkt man, er redet sich um Kopf und Kragen. Das ist sein Todesurteil. Also eine andere Herangehensweise. Weniger aus Sicht von Jesus, sondern von außen. Der arme Kerl, gerade hat er sich selbst ans Messer geliefert. Also wenn ich mir so die verschiedenen Karikaturen angucke, die sind ja schon auch alle unterschiedlich. Also man merkt immer so einen unterschiedlichen Zugang zu den Themen. Ich habe welche gesehen, die sind einfach lustig. Dann gibt es andere, wo man sehr bewegt ist. Dann gibt es andere, die sind einfach ernst. Merkt man da so ein bisschen den Eindruck? Den eigenen Zugang, den Sie gewählt haben? Den habe ich nicht gewählt. Also ich habe mir doch keine Mühe gegeben, vorher ein Konzept zu erstellen, dass das alles ganz ernst und seriös sein soll. Oder flapsig. Aber manches drängt sich halt auf. Ich kann über die Kreuzigung natürlich keinen schlappen Witz machen. Also das geht nicht. Das war dann schon eher, weiß nicht, das hat mich dann selbst auch bewegt. Das sehen Sie ja dann, das ist ein ganz anderer Zugang. Weil in der Regel macht man es ja so, man guckt sich was an, guckt sich den Text an. Sagt mir nichts, legt es weg. Schade eigentlich. Und ich war durch diese selbstgestellte Aufgabe zwungen, länger darauf zu gucken. Und was macht das mit mir? Was sagt mir das Ganze? Wenn Sie jetzt so Karikaturen auch so nutzen, um da auch so Denkanstöße zu geben. Was ist sozusagen das Ziegel? Oder sagen Sie, mir geht es um meine eigene Auseinandersetzung damit? Oder was wollen Sie mit solchen Karikaturen anstoßen? Oder was hoffen Sie, dass vielleicht solche Karikaturen auch anstoßen bei denen, die Sie betrachten? Also einmal ist es eine persönliche Auseinandersetzung damit. Also ich bin sehr streng katholisch aufgewachsen und habe damit meine Schwierigkeiten gehabt. Und das war mit spät, aber nicht zu spät, eine Auseinandersetzung, eine Aufarbeitung dessen, was ich da erlebt habe. Aber politische Gründe sind es eigentlich. Demokratie ist für mich ein großes Thema. Demokratie ist gefährdet. Heute mehr denn je. Und ich glaube, es ist viel von Werten die Rede. Und hier im Evangelium. Und hier im Evangelium werden Werte vertreten, die wichtig sein könnten, die uns gut täten, wenn sie auch in der politischen Auseinandersetzung eine Rolle spielten. Und die will ich in den Mittelpunkt stellen. Und will auch sagen, dass Religion eine sehr politische Dimension hat. Also diese Flüchtlingsfrage zum Beispiel. Wenn Josef, Maria und Jesus, nachdem sie Bethlehem verlassen mussten, weil sie die Verfolgung durch Herodes fürchteten. Wenn Pharao damals in Ägypten Trump geheißen hätte, wären die Grenzen dicht gewesen, dann gäbe es heute kein Christentum. Also es ist politisch, die ganze Geschichte. Darauf will ich hinweisen. Und nicht umsonst hat der Papst Franziskus seine erste Auslandsreise nach seiner Wahl nach Lampedusa. Das heißt aber eigentlich, es gibt ja viele Menschen, die sagen, naja die Bibel, das ist so ein altes Buch, 2000 Jahre alt, verstaubt. Das sagt uns heute kaum noch was. Sie sehen es aber ganz anders. Sie sehen es aber ganz anders. Kann man so beschreiben, dass da eigentlich ganz viel an Demokratie und Werten drin steckt, die uns heute eigentlich gut tun würden oder gut tun? Ja, ist ja auch so. Das Dumme ist nur, die Sprache ist sehr adäquiert. Das ist schade. Das heißt aber, Sie haben auch versucht mit den Karikaturen auch so ein bisschen Übersetzungsarbeit zu leisten oder so? Oder ist es Interpretationsarbeit oder was ist es dann? Ja, es ist Übersetzung in eine andere Sprache. Natürlich ist es eine Bildsprache. Natürlich hätte ich auch andere Bilder wählen können. So etwas. So wie bei einer Übersetzung man auch andere Worte wählen kann. Aber es ist meine Bildsprache. Die Idee ist ja auch eigentlich nur, dass man überhaupt das Buch nicht gleich weglegt, sondern vielleicht mal ein bisschen weiter liest und guckt, vielleicht steht da doch was Vernünftiges drin.