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Wir müssen davon ausgehen, dass die Kinder weiterhin auch noch traumatisiert sind, dass sie weiterhin mit schlechten Nachrichten konfrontiert sind. Und das werden wir sicher berücksichtigen müssen. Ganz konkret sieht das bei uns aus, dass wir den Kindern Daumen lassen, auch zu erzählen und zu berichten. Dass wir auch den Tag beispielsweise so beginnen, dass wir nicht jetzt zum normalen Unterricht direkt anfangen und sagen, dass die Schulbücher aufgemacht werden und es losgeht sozusagen mahtlos, dass wir einfach in jeder Klasse, und das ist auch immer wieder individuell, dass wir schauen müssen, haben die Kinder Redebedarf? Gibt es etwas, was die Kinder auch selbst mitteilen wollen, wo sie erzählen wollen? Das beginnt ja klassischerweise auch bei den, gerade nach den Ferien, bei den Ferienerlebnissen. In jüngeren Klassen ganz besonders, ja. Da werden wir sehr sensibel drauf reagieren müssen. Wir kennen die Klassen sehr gut. Die einzelnen Klassenlehrer sind sehr vertraut mit ihren Klassen und merken sehr schnell, wenn da Redebedarf ist und merken sehr schnell, wo sie einfach auch mal unterbrechen müssen. Wir merken es auch daran, dass die Kinder eine deutlich kürzere Konzentrationsspanne haben, dass wir also gar nicht sozusagen eine Dreiviertelstunde durchmachen können. Hinzu kommt noch, dass wir jetzt auch wieder, ich weiß nicht, ob Sie das schon wissen, dass wir hatten vor den Ferien einen 35-Minuten-Rhythmus. Das nehmen wir wieder zurück und gehen zur 45-Minuten-Stunde. Ich hatte den Hintergrund, dass die Eltern in der Anfangszeit bewusst sagten, dass die Kinder doch sehr früh nach Hause kommen sollten, einfach um halt den Sicherheitsaspekt auch am Nachmittag zu berücksichtigen, im Hellen zu Hause sind. Dass wir aber auch damals in der Zeit, in der wir komplett noch auf, für die deutschen Kollegen auf Online-Unterricht zurückgreifen mussten, eben nicht 8 Stunden 45 Minuten online machen konnten. Und da haben wir also 35-Minuten-Stunden gemacht. Und das war dann schon deutlich besser. Das werden wir aber jetzt wieder wechseln. Und außerdem ist es so, dass wir bis auf eine Lehrkraft, sind alle deutschen Lehrkräfte vor Ort wieder. Und nur eine Lehrkraft wird noch Online-Unterricht machen müssen aus Deutschland, die aus medizinischen Gründen erst im Februar zurückkommen kann. Das heißt ansonsten, trotz der natürlich sehr krassen Situation, versuchen Sie ein bisschen den Schulalltag, ja ein bisschen in Normalitätszustand zurückzubringen, mit dem Unterschied, dass Sie morgens natürlich den Raum geben, dass die Kinder erzählen können. Gibt es sonst irgendwie noch Angebote, vielleicht auch für die Eltern, wo Ängste, Sorgen aufgefangen werden? Haben Sie da irgendwas Besonderes etabliert? Oder wie gehen Sie damit um? Also ich habe in Krisensituationen, das hat schon in Corona begonnen, und auch jetzt in der Kriegssituation, habe ich eine Elternsprechstunde, beziehungsweise habe ich selbst den Kontakt zu den Elternbeiratsvertretern suche ich wöchentlich. Das hat sich dahingehend sehr stark bewährt, dass man schnell Dinge aufgreifen kann. Wenn sich Dinge ansammeln. Und dann berichten diese Elternvertreter mir, wo etwa Dinge jetzt noch im Argen liegen. Und das beginnt, um ein Beispiel zu geben, dass wir immer noch eine besondere Zugangssituation der Schule haben. Die Schule kann auch nicht durch das Haupttor befahren werden, weil das Haupttor von Israel aus zur Schule geht. Wir müssen die Kinder durch ein sehr kleines, enges Seitentor aus der Westbank, also sprich aus der A-Zone, zu uns leiten. Das ist natürlich eine logistische Herausforderung. Darin unterstützen wir uns, die Eltern, fantastisch. Das ist schon eine Herausforderung, die morgens gleich beginnt, sodass wir alle froh sind, wenn wir alle 800 Schüler dann auf dem Compound haben und dann eben versuchen, doch normalen Unterricht zu machen. Aber wie gesagt, das geht bis dahin, dass also schon auch meine Raketen-App, die wir ja alle haben im Handy, doch immer noch wieder leider anspringt und wir jetzt auch Angriffe hören aus dem Norden und immer noch Raketen auch aus Gaza, aus Israel niedergehen. Und im vergangenen Interview, haben wir ja auch gesagt, das Interview, das ist ja im Oktober, da haben Sie gesagt, viele Eltern möchten ihre Kinder logischerweise auch nicht schicken. Ist die Situation jetzt anders, weil Sie eben gesagt haben, Sie sind froh, wenn die 800 Schüler da sind, werden jetzt alle wieder geschickt? Das vermute ich sehr stark, dass ein Großteil der Eltern die Kinder wieder schickt jetzt. Allerdings haben wir weiterhin einige Eltern, denen wir ein Wohnangebot bei uns auf dem Campus gemacht haben. Wir haben ja noch ein Gästehaus. Das sind einige Eltern, die wohnen einfach noch in Gegenden, in denen es zu fahren täglich zu gefährlich ist. Das sind Eltern aus der Nähe von Hebron. Das sind Eltern aus dem südlichen Umfeld, die eben doch noch sagen, wir können das nicht morgens leisten, unsere Kinder zu bringen. Und da haben wir eine Sonderregelung geschaffen, dass wir dort die zwei, drei Familien auf dem Campus leben haben oder ihnen eine Wohnmöglichkeit gegeben haben. Ich hoffe jedoch, dass wir wieder, doch bald auch das nicht mehr benötigen. Es gibt erste gute Anzeichen, dass auch die Straßensperren, die wir jetzt haben, im Westjordanland doch in den nächsten zwei, drei Wochen wieder geöffnet werden sollen. Das geschieht peu à peu und geschieht immer nur dann, wenn es die Sicherheitslage laut israelischen Nachrichten erlaubt. Und was denken Sie, wann Sie Ihren Haupteingang wieder verwenden werden können? Der Haupteingang wird dann sozusagen wieder möglich sein, wenn die Zugänge nach Bethlehem wieder offen sind. Und dann werden die Schüler wieder von vorne reinkommen können. Wir hoffen, dass das eventuell wieder möglich sein wird. Das wird eventuell auch nur noch zwei, drei Wochen dauern. Aber das bleibt wirklich eine sehr vage Hoffnung. Da müssen wir uns den aktuellen politischen Gegebenheiten einfach beugen. Wie ist es für Sie als Schulleiter? Mit welchem Gefühl fliegen Sie jetzt am Sonntag zurück? Mit einem sehr guten Gefühl, weil ich weiß, ich muss dort arbeiten und ich muss sagen, also mein Herz schlägt für diesen Platz. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, dass mich irgendeine Sorge in persönlicher Weise umtreiben würde. Ganz im Gegenteil. Ich bin eher in Sorge, wenn ich hier bin, in Deutschland. Weil ich dann glaube, dass doch die Menschen eigentlich auch ein Recht haben, dass ihr Schulleiter sozusagen vor Ort ist. Ja, und dass ihnen das auch ein bisschen Sicherheit und Halt gibt. Das war auch mein großes Anliegen in der Zeit, als wir damals ausgereist sind als Deutsche, dass ich doch, wenn es die Lage hergibt, doch bald wieder einreise. Und das wurde auch sehr, sehr von den Kollegen, ich sage mal, gewertschätzt, dass man doch wieder vor Ort ist. Und sie sagten es mir selbst, die Kollegen, die Menschen vom Ausland fühlen sich sicherer. Das ist vielleicht sicher nur ein subjektives Gefühl, aber das ist auch ein sehr, sehr kreatives Gefühl. Das ist auch ein subjektives Gefühl, weil ich ja gar nicht ganz wenig ausrichten kann eigentlich. Aber interessant fand ich doch, dass man sagte, also wir fühlen uns, wenn wir Deutsche auf dem Campus haben, doch noch einen Moment sicherer. Auch so eine Stabilität, so ein Signal, wenn sie da sind wahrscheinlich. Ja, genau. Das heißt, wenn Sie jetzt am Sonntag fliegen, fliegen Sie allein oder mit Ihrer Familie und sind Sie dann wieder fest vor Ort? Oder wie stellen wir uns das vor? Meine Familie war jetzt in der Zeit, in der ich da war, auch gar nicht hier. Wir haben noch schulpflichtige Kinder gehabt in Deutschland. Also wir haben noch Kinder, die noch nicht hier sind. Konnten das auch gar nicht. Ich bin sehr oft hin und her geflogen in der ganzen Zeit. Aber ich fliege jetzt zunächst wieder alleine und bin dann wieder vor Ort, wohne auch auf dem Campus. Sie müssen doch wissen, das zweite Schulhalbjahr beginnt in Palästina oder bei uns an der Schule direkt nach Weihnachten. Das heißt, wir haben ein neues Schuljahr. Wir haben einen neuen Term, der direkt jetzt anfängt. Und damit ist so ein bisschen wie ein kleiner Neuanfang, sag ich mal. Sie pendeln aber dann zwischen Familie und Schulleitung nach wie vor hin und her. Ja, also nicht wöchentlich. Aber ich sage mal, alle zwei Monate ist schon entweder ein Familienflug oder auch ein dienstlicher Flug. Das kann man dann oft auch verbinden mit verschiedenen Möglichkeiten. Aber der Standort, mein Standort ist eigentlich das Westjordanland. Und da ist Ihre Familie mit einverstanden, auch jetzt? Oder gibt es da Ängste? Ja, wissen Sie, wir sind ja schon im Ausland. Wir waren ja selbst als Familie neun Jahre im Ausland und wir kennen das ein bisschen. Das heißt nicht, dass das meine Frau sagt. Also, jippie. Ich bin hier. Ich bin froh, dass du jetzt wieder da runterfährst. Können Sie sich vorstellen. Ja, das ist schon mit einem gewissen Gefühl der Sorge begleitet. Ja, aber wer uns auch jetzt kennt, wer die Schule kennt, der weiß, dass wir jetzt nicht in das Kriegshebiet direkt fahren. Wir leben dort wie viele andere Menschen. Das darf man auch nicht vergessen. Alles, was hier doch sehr, sehr dramatisch klingt durch eben Nachrichtenspots oder durch Highlights der Situation in Gaza oder in den Kriegshebieten. Wir wohnen in einer Gegend, die sehr stark bevölkert ist. Bethlehem. Jerusalem. Jerusalem Region ist eine ganz eng dich bevölkerte Region. Dort wohnen viele Menschen, wohnen und dort lässt es sich wohnen. Ja, und Israelis und Palästinenser haben eine ausgesprochen Resilienz entwickelt, was diese Situation anbelangt. Ein heulen der Sirenen gehörte schon immer fast zum Alltag vieler Menschen und ist jetzt noch viel mehr zum Alltag geworden. Heißt nicht, dass man nicht vorsichtig sein muss. Das ist lebbar, auch wenn es keine schöne Realität ist. Und wir hoffen, dass wir ganz, ganz schnell wieder in eine andere Realität kommen. Letzte Frage. Ihr Wunsch für 2024. Es gibt nur einen Wunsch. Es gibt erst mal, dass die Waffen schweigen mögen, dass es, dass es Frieden wird. Aber der noch viel größere Wunsch wäre dann, dass sich Menschen auch nach dem Krieg wieder aufeinander zubewegen. Dass israelische, jüdische Menschen, palästinensische Menschen, arabische Menschen wieder aufeinander zugehen. Denn derzeit sind die Fronten sehr stark verhärtet, auch bei ehemaligen Menschen, die doch sehr stark an einem Dialog interessiert waren, sind in einer Schockstarre und wissen eigentlich noch gar nicht so recht, wie wir aufeinander zugehen. Und da können wir als Schule und möchten, möchten wir als Schule eigentlich vorangehen und möchten eigentlich sagen, lass uns miteinander es trotzdem wagen. Lass uns auch Schmerzen über Schmerzen reden, über Verlust reden, das nicht ausblenden und dass beide Seiten sehr, sehr schmerzliche Erfahrungen und tiefe, traumatische Erfahrungen gemacht haben. Aber da möchte ich als Schulleiter meinen. Und ich möchte auch noch einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass wir durch unsere Schule, durch die Begegnung, durch das Dasein einfach hier Brücken bauen können. Und vielen Dank.