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Mal was vergessen, das passiert allen, klar. Aber wenn die eigenen Eltern, Oma oder Opa den Alltag nicht mehr ohne fremde Hilfe bewältigen können, weil sie immer mehr vergessen, dann haben wir es meist mit Demenz zu tun. Sie ist Thema der Woche für das Leben. Am 30. April ging die Aktionswoche los. Professor Dr. Andreas Fellgiebel ist Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Agapläsion Elisabethen Stift in Darmstadt. Er ist Experte in Sachen Demenz. Zunächst mal die Frage, was bedeutet Demenz denn eigentlich ganz konkret? Demenz ist eine Erkrankung, bei der die geistige Leistungsfähigkeit so weit nachgelassen hat, dass man im Alltag Probleme bekommt. Wenn man einmal was vergisst, wenn einem einmal ein Wort nicht einfällt, würde man auch nicht von Demenz sprechen. Aber wenn man dauerhaft eine veränderte Leistungsfähigkeit hat, die dazu führt, dass man immer Unterstützung braucht, immer nachfragen muss, dann würde man von der Demenz sprechen. Die meisten verbinden ja die Demenz mit hohem Alter. Ist es denn tatsächlich so, dass diese Krankheit erst im hohen Alter auftritt? Es gibt viele Ursachen für eine Demenz. Die Hauptursache heute ist die Alzheimer-Erkrankung und die tritt bei Hochaltrigen in der Regel auf. Auch bei der Alzheimer-Erkrankung gibt es eine sogenannte genetische Variante, wo es Patienten gibt, die 45 sind oder 51 sind und schon eine Demenz bekommen. Die meisten sind allerdings jenseits der 70, wenn das mit der Demenz anfängt. Die häufigste Ursache ist die Alzheimer-Erkrankung und das ist eine degenerative Erkrankung. Das heißt, es gibt einen Prozess im Gehirn, der dazu führt, dass die Nervenzellen absterben, gerade die, die für das Gedächtnis und für die geistige Leistungsfähigkeit zuständig sind und es dann eben zu der fortschreitenden Vergesslichkeit kommt. Diesen Prozess kann man heutzutage mit Medikamenten noch nicht rückgängig machen oder aufhalten. Wichtig ist, sich bei ersten Symptomen testen zu lassen. Zum Beispiel in einer Gedächtnisambulanz, sagen sie. Warum ist es denn so sinnvoll, wenn die Krankheit gar nicht heilbar ist? Warum sollte man sich untersuchen lassen? Natürlich vor die Therapie haben die Götter die Diagnose gestellt. Das heißt, wenn ich nicht weiß, was jemand hat, dann kann ich ihm auch nicht beraten, wie man es am besten behandeln kann. Gerade auch bei Älteren treten Vergesslichkeit und andere Veränderungen der geistigen Leistungsfähigkeit auch im Rahmen von anderen Erkrankungen auf. Und es wäre schade zu befürchten, dass es denn doch Alzheimer ist, wenn es was ist, was man behandeln könnte. Ja, und im Alter werden wir alle ein bisschen vergesslicher. Das ist normal. Ob es aber im Rahmen ist oder eben beginnende Demenz, das lässt sich testen. Ja, und gerade wenn die Krankheit noch am Anfang steht, da lässt sich noch was machen. Was denn ganz genau? Es gibt aber Medikamente, die die Nervenzellen, die noch funktionsfähig sind, in ihrer Funktion stärken. Also das ist so ein bisschen was wie Doping fürs Gehirn. Der Prozess wird nicht gestoppt, der Krankheitsprozess. Aber die Nerven werden ein bisschen unterstützt in der Leistungsfähigkeit. Das führt dann unterm Strich dazu, dass man die Erkrankung so um ein halbes bis ein Jahr hinaus zögern kann. Man kann ein bisschen was kann man mit Medikamenten tun? Ja, und das geht natürlich nur, wenn die Krankheit eben früh erkannt wird anhand eines Tests. Daneben gibt es ja oft auch den Tipp von, salopp gesagt, Gehirnjogging, also sozusagen aktiv bleiben. Ist das denn wirklich sinnvoll? Das ist tatsächlich richtig, dass geistige Aktivität ein super Hilfsmittel ist, die Erkrankung zu verzögern oder nach hinten zu schieben. Das heißt, wir können durch diese Aktivitäten zwar die Erkrankung nicht verändern, aber wir können die Kompensations- oder Widerstandsfähigkeit verändern. Wenn man die Erkrankung hat, das ist ein wichtiger Hinweis noch, wenn man Alzheimer Demenz entwickelt und die Achillesferse die Vergesslichkeit ist, das heißt, dass man neue Informationen nicht mehr auf die Festplatte kriegt, dann macht es keinen Sinn, die Überschriften der Tageszeitung auswendig zu lernen. Also diese Achillesferse zu reizen, weil dann kriegt man eine Depression, weil das kann man nicht. Aber sich mit Dingen zu beschäftigen, die man kann und die man auf der Festplatte hat, also Bücher zu lesen oder sich mit Themen zu beschäftigen, die einem für einen interessant und wichtig sind, stabilisiert die geistige Leistungsfähigkeit. Das hat auf jeden Fall einen Effekt. Und wer rastet, der rostet, gilt tatsächlich auch, wenn man eine Demenz entwickelt. Man rostet dann schneller, wenn man inaktiv ist. Auch wenn sich die Demenz etwas aufhalten lässt, die Krankheit ist eben heute noch nicht heilbar. Der Alltag wird irgendwann dann doch sehr belastend, besonders eben für die pflegenden Angehörigen. Das ist ja dann doch schon eine echte Herausforderung. Die Demenzerkrankung stellt in der Partnerschaft einen tiefen Einschnitt dar. Ein Mensch verändert sich. Und das ist ein riesiger Stress. Nicht erst, wenn die Demenz fortgeschritten ist, sondern gerade am Anfang, wenn das anfängt, sich zu entwickeln. Manchmal ist es so, dass die Partnerschaft im Rahmen der Demenzentwicklung am seidenen Faden hängt. Und der seidene Faden ist der Angehörige, nicht der Patient. Das heißt, die Aufgabe einer guten Versorgung oder einer guten Unterstützung ist, den Angehörigen zu stärken. Das Zweite, was ganz wichtig ist, ist der chronische Stress, der sich in der Beziehung entwickelt, ist bezüglich der Neurodegeneration, also der Veränderungen im Gehirn des Betroffenen, wie Öl auf die Flamme. Das heißt, wenn Sie wollen, dass jemand, der eine Alzheimer-Demenz hat, sich möglichst rasch, ziemlich stark verschlechtert, dann setzen Sie ihn unter chronischen Stress. Und er wird innerhalb von einem Jahr ganz viel abbauen. Das heißt, die paradoxe Aufgabe und schwierige Aufgabe in der Familie, wenn jemand eine Demenz entwickelt ist, Stress zu reduzieren in einer Situation, die eigentlich sehr stressig ist, und sich darauf einzustellen. Und für den Angehörigen, der hat noch eine zweite Aufgabe, auf sich selber zu achten. Viele Angehörigen machen mit bester Absicht den Fehler, dass sie sich aufreiben und vergessen, dass sie selber auch Bedürfnisse haben. Und man muss von Anfang an gucken, dass man das austariert. Und es gibt entsprechende Selbsthilfegruppen und auch das Alzheimer-Telefon. Dort können sich auch pflegende Angehörige hinwenden und bekommen Unterstützung.